Kosten der Wiederholungsprüfung können der Pflegeeinrichtung nicht pauschal auferlegt werden

SG Darmstadt – S 18 P 25/10 – Urteil vom 24.01.2011

Regelprüfungen des MDK zur Feststellung der Pflegequalität ziehen immer häufiger auch kostenpflichtige Wiederholungsprüfungen nach sich. Hierbei stellen sich zwei Fragen: Wann ist eine Wiederholungsprüfung überhaupt gerechtfertigt? Welche Kosten können angesetzt werden? Das Sozialgericht Darmstadt hatte sich mit einem solchen Fall auseinanderzusetzen. Im Ergebnis beanstandete das Gericht die Forderung der Pflegekassen und wies diese insgesamt zurück. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:
Der MDK führte im Auftrag der Landesverbände der Pflegekassen eine Regelprüfung gem. §§ 112, 114 Abs. 1 SGB XI bei der Klägerin, einem ambulanten Pflegedienst, durch. Nach Anhörung des Pflegedienstes erging ein Mängelbescheid gem. § 115 Abs. 2 SGB XI. Darin führten die Pflegekassen teils „sofort umzusetzende“ und teils mit Fristsetzung umzusetzende Maßnahmen auf. Sie wiesen ferner darauf hin, dass sie aufgrund der festgestellten, „gravierenden Mängel“ den MDK zu gegebener Zeit mit einer Wiederholungsprüfung gem. § 114 Abs. 5 SGB XI beauftragen werden, deren Kosten die Klägerin zu tragen habe. Der Mängelbescheid wurde von der Klägerin nicht angefochten.

Sodann beauftragten die Pflegekassen den MDK mit einer Wiederholungsprüfung nach § 114 Abs. 5 Satz. 2 SGB XI. Nach dieser Vorschrift kann im Zusammenhang mit einer zuvor durchgeführten Regel- oder Anlassprüfung von den Landesverbänden der Pflegekassen auf Kosten der Pflegeeinrichtung eine Wiederholungsprüfung veranlasst werden, um zu überprüfen, ob die festgestellten Qualitätsmängel durch die nach § 115 Abs. 2 SGB XI angeordneten Maßnahmen beseitigt worden sind. Hier wurde durch die Pflegekassen eine Wiederholungsprüfung veranlasst, die im Zusammenhang mit einer Regelprüfung stand. Ziel der Wiederholungsprüfung war die Überwachung der Beseitigung der Mängel aus einem Mängelbescheid. Der MDK bescheinigte dem Pflegedienst, „zielführende“ Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung eingeleitet zu haben; die vereinbarten Sofortmaßnahmen seien alle umgesetzt worden.

Der MDK stellte den Pflegekassen für die Wiederholungsprüfung einen Betrag von 1.168,80 EUR (10 Stunden x 116,88 EUR/Stunde) in Rechnung. Er legte hierbei einen Tagessatz (7,7 Stunden/Tag) für eine Pflegekraft von 900,00 EUR zugrunde. Die Pflegekassen reichten die Rechnung des MDK an den Pflegedienst weiter. Zusätzlich addierten sie 1,5 Arbeitsstunden zu einem Stundenlohn von 60,00 EUR eigener Mitarbeiter für das Erstellen, Prüfen, Lesen, Bewerten und Versenden eines Prüfberichts und das Verfassen eines positiven Ergebnisschreibens. Insgesamt forderten die Pflegekassen vom Pflegedienst einen Betrag in Höhe von 1.258,80 EUR für die Wiederholungsprüfung. Als Rechtsgrundlage für die Kostenforderung benannten sie § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI.

Gegen die Rechnung machte der Pflegedienst sodann vor dem Sozialgericht folgende Einwendungen geltend: Allgemeine Verwaltungs- und Vorhaltekosten könnten nicht in Rechnung gestellt werden, da diese keine „Kosten der Wiederholungsprüfung“ seien. Jedenfalls dürften keinerlei Pauschalen angesetzt werden, andernfalls würden entgegen dem Wortlaut keine Kosten, sondern letztlich Gebühren erhoben. Die Kostenforderung des MDK müsse hinsichtlich deren Zusammensetzung und des Zeitansatzes näher aufgeschlüsselt werden. Dies könne nur durch Vorlage von Gehaltsnachweisen der am Prüfverfahren beteiligten Personen erfolgen. Zugleich bat die Klägerin um Überprüfung des Mängelbescheids, da die Umsetzungsfrist „sofort“ keine dem Gesetz entsprechende angemessene Fristsetzung sei.
Die Verbände der Pflegekassen blieben bei ihrer Forderung. Auch Verwaltungs- und Vorhaltekosten, die mit Wiederholungsprüfungen im Zusammenhang stünden, dürften in Rechnung gestellt werden. So würden ein bis zwei Gutachter permanent benötigt. Die gesamten Verwaltungs- und Vorhaltekosten des MDK seien daher im Verhältnis zu diesem Personalaufwand umzulegen. Dies sei bei der Berechnung eines Tagessatzes für eine Pflegekraft von 900,00 EUR pro Tag geschehen. Der MDK sei dabei von direkten Personalkosten von 58.144,00 EUR pro Jahr (45.603,00 EUR Jahresbruttogehalt (MDK-Tarifgruppe 8, Stufe E3 mit zwei Kinderzuschlägen) 12.541,00 EUR Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung und VBL), sowie Zuschlägen für Verwaltungspersonal, GB-Leitung, Sachkosten (ohne Reisekosten) und Kosten für Versorgungsempfänger in Höhe von zusammen 34.822,00 EUR ausgegangen. Hieraus errechne sich ein Stundensatz von 75,46 EUR unter der Annahme von 160 Prüftagen (1.232 Prüfstunden). Die Anzahl der Prüftage nehme pauschal Urlaubs-, Krankheits- und Fortbildungstage aus der Jahresarbeitszeit aus. Diese pauschale Berechnung folge der empirisch belegten Annahme, dass ein Mitarbeiter nur 79% seiner Jahresarbeitszeit tatsächlich zu Verfügung stehe. Diesem Stundensatz hinzuzurechnen sei ferner eine Pauschale von 320,00 EUR je Prüfung für die Abgeltung eines durchschnittlichen Aufwands für Vorbereitung, Fahrtzeiten, Auswertung, Berichterstellung, Gutachtenversand und Reisekosten. Im Hinblick auf den errechneten Stundensatz von 75,46 EUR sei diese Pauschale sehr gering bemessen. Gerade hinsichtlich der Reisekosten, die mit 20,00 EUR angesetzt würden, begünstige der MDK die geprüften Pflegedienste deutlich, da oft eine Anreise von über einer Stunde erforderlich sei, die andernfalls mit dem Stundensatz berechnet werden müsse. Gewinnzuschläge würden nicht erhoben. Im Vergleich zu Tagessätzen von Beratungsunternehmen seien die vom MDK erhobenen Kosten moderat.
Das Sozialgericht gab dem klagenden Pflegedienst Recht und wies die Forderung der Pflegekassen auf Bezahlung der Wiederholungsprüfung zurück. Problematisch sei bereits, dass der Wiederholungsprüfung ein rechtswidriger Mängelbescheid zugrunde liege, da er bezüglich der „sofort“ zu beseitigenden Mängeln keine angemessene Frist gesetzt habe. Die Klägerin habe diesen Mängelbescheid jedoch nicht angefochten, so dass er bestandskräftig geworden ist. Er konnte daher als Grundlage für die Wiederholungsprüfung dienen.

Der Begriff der „Kosten“ umfasse alle tatsächlich entstandenen Aufwendungen bei der Durchführung einer Wiederholungsprüfung, die entweder im Auftrag der Pflegeeinrichtung oder von Amts wegen veranlasst werde. Entsprechend dem zivilrechtlichen Auftragsrecht seien daher die aufgrund des Auftrags konkret anfallenden Kosten zu erstatten. Der Auftraggeber (hier die Pflegeeinrichtung) sei zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, die der Beauftragte (hier die Landesverbände der Pflegekassen) zum Zwecke der Ausführung des Auftrags macht, soweit er sie den Umständen nach für erforderlich halten darf. Nach allgemeiner Meinung, insbesondere des Bundesgerichtshofs, seien dies aber nur Aufwendungen, die konkret im Einzelfall entstehen, die nachweisbar sind und die nicht allgemeine Verwaltungskosten sind.
Die Kostenforderung gem. § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI habe mithin zwei Grundsätzen zu folgen:
- Kosten im Sinne des § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI sind nur zusätzliche Aufwendungen, nicht aber Verwaltungs- oder Vorhaltekosten, die auch ohne die Wiederholungsprüfung angefallen wären.
– Geltend gemacht werden können nur tatsächlich im konkreten Einzelfall angefallene Aufwendungen. Pauschalen oder Durchschnittswerte können nicht angesetzt werden.

Diesen Anforderungen genüge die Kostenforderung der Pflegekassen nicht. Die Berechnung des MDK-Stundensatzes basiere auf Durchschnittswerten und setze in Teilbereichen Pauschalen an. Er beinhaltete außerdem Verwaltungs- und Vorhaltekosten. Angesetzt werde nicht der konkrete Stundenlohn des konkret eingesetzten Prüfers, sondern der Durchschnittsverdienst eines Tarifbeschäftigten in einer durchschnittlichen Tarif-Stufe mit zwei Kindern. Selbst wenn man davon ausgehe, dass diese Annahme den Durchschnitt aller MDK-Prüfer abbildet, entspreche diese Vorgehensweise nicht den Anforderungen, die Kosten im Einzelfall zu berechnen. Dasselbe gelte für die Anwendung einer Reisekosten- und Bearbeitungspauschale in Höhe von 320,00 EUR. Es sei durchaus vorstellbar, dass im Einzelfall auch niedrigere Reisekosten anfallen. Schließlich beinhalte der Stundensatz unstreitig auch Verwaltungs- und Vorhaltekosten des MDK, die im Verhältnis auf den Wiederholungsprüfdienst umgelegt werden. Auch diese Kosten seien im Rahmen des § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI nicht erstattungsfähig

Dem Urteil des Sozialgerichts Darmstadt ist zuzustimmen. Es kann nicht sein, dass Pflegeeinrichtungen Pauschalforderungen des MDK und der Pflegekassen ausgesetzt sind, die sie nicht nachvollziehen und auf ihre Notwendigkeit hin überprüfen können. Tagessätze von 900,00 EUR für einen MDK-Mitarbeiter und Bearbeitungspauschalen von 320,00 EUR der Pflegekassen muss man nicht hinnehmen, sondern kann eine konkrete Berechnung der konkret im Einzelfall angefallenen Kosten verlangen. Hierzu müssen die Pflegekassen konkret darlegen, welche tatsächlichen Aufwendungen aufgrund der Wiederholungsprüfung angefallen sind. Die Darlegungslast liegt insoweit bei den Landesverbänden der Pflegekassen.

Tipp für die Praxis:

Eine Wiederholungsprüfung, die von den Landesverbänden der Pflegekassen beauftragt wird, kann nur auf der Grundlage eines bestandskräftigen Maßnamenbescheides erfolgen. Prüfen Sie daher zunächst immer den Maßnahmenbescheid und lassen Sie ihn im Zweifel nicht bestandskräftig werden, indem Sie Klage gegen den Bescheid erheben. Damit dürfte es bereits an einer Rechtsgrundlage für eine Wiederholungsprüfung fehlen.
Falls eine Wiederholungsprüfung durchgeführt wird, prüfen Sie die Kostenrechnung des MDK auf konkrete Nachweisbarkeit der Kosten. Eine Pauschalabrechnung nach Stundensätzen und die Geltendmachung einer Verwaltungspauschale sind nicht zulässig. Nur die konkret nachweisbaren und nachvollziehbaren Kosten können berechnet werden.