BSG: Vergütungsforderung oberhalb der Grundlohnsummensteigerung muss konkret dargelegt und begründet werden

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat am 23. Juni 2016 über die Wirksamkeit eines Schiedsspruchs aus dem Jahr 2011 zur Vergütung häuslicher Krankenpflege in Hessen entschieden.

Das BSG den Schiedsspruch wegen Unbilligkeit aufgehoben, weil er auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage beruht. Allerdings konnte das BSG den Schiedsspruch nicht ersetzen, weil die tatsächlichen Grundlagen, auf deren Basis eine gerichtliche Kontrolle des Normprogramms zur Bemessung der Vergütung nach § 132a Abs. 2 SGB V unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs. 1 SGB V erfolgen kann, fehlten. Die Vertragspartner müssen daher neu verhandeln, ggfs erneut mit Hilfe einer Schiedsperson.

Zur Beitragssatzstabilität führt das BSG aus:

„Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs. 1 SGB V ist bei den Vergütungsvereinbarungen nach § 132a Abs. 2 SGB V zu beachten. Eine die Grundlohnsummensteigerung nach § 71 Abs. 3 SGB V überschreitende Vergütungserhöhung kann nur dann vereinbart werden, wenn andernfalls die notwendige Versorgung auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht gesichert ist (§ 71 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB V). Auch bei kollektiv verhandelten Vergütungsvereinbarungen reicht es nicht, nur allgemein auf Tariflohn- oder andere Kostensteigerungen hinzuweisen. Vielmehr muss eine Betriebs- und Kostenstruktur einer repräsentativen Anzahl von Einrichtungen dargelegt und vorhanden sein, die eine solche Erhöhung rechtfertigt. Die Vertragspartner haben der Schiedsperson entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen. Sofern Angaben oder Unterlagen fehlen, die wesentliche Grundlage des Schiedsspruchs sind, muss die Schiedsperson die Beteiligten darauf hinweisen.“

„Die Entscheidung der Schiedsperson, die Vergütungen um 3,9 % zu erhöhen, hält der gerichtlichen Nachprüfung nicht stand. Es steht nicht  fest, dass eine Erhöhung in dieser Größenordnung im Sinne der Ausnahmeregelung des § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlich ist, damit die notwendige Versor gung auch unter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven gesichert ist. Als maßgeblichen Aspekt, der eine Erhöhung der Vergütung weit über die vom BMG bekannt gegebene Erhöhung der Grundlohnsumme hinaus rechtfertigt, hat sich die Schiedsperson insbesondere auf Tarifsteigerungen bezogen. Da diese grundsätzlich im Rahmen der Erhöhung der Grundlohnsumme berücksichtigt werden, muss eine Betriebs- und Kostenstruktur vorhanden sein, die eine Erhöhung der Vergütungen weit über die Grundlohnsummensteigerung hinaus erforderlich macht. Unterlagen, die das für repräsentativ ausgewählte Einrichtungen  belegen, sind nicht vorgelegt worden.“

Fazit: Eine Vergütungsforderung, die über der Grundlohnsummensteigerung nach § 71 Abs. 3 SGB V hinausgeht, kann nicht allein mit allgemeinen Tarifsteigerungen begründet werden. Vielmehr muss die Kostensteigerung anhand von Betriebs- und Kostenstrukturen einer repräsentativen Auswahl von Pflegeinrichtungen dargelegt werden.

Bundessozialgericht                    – B 3 KR 25/15 R und B 3 KR 26/15 R