LSG NRW: Formale Anforderungen an die ärztliche Verordnung sind nicht anspruchsbegründend

In entsprechender Anwendung des § 37 Abs. 4 SGB V besteht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der häuslichen Krankenpflege wegen Unaufschiebbarkeit der Leistung auch dann, wenn ein Naturalleistungsanspruch bestanden hätte, der Versicherte jedoch vor Inanspruchnahme der Leistung die Krankenkasse nicht mit der Sache befasst hatte und die ärztliche Verordnung auch nicht innerhalb der durch § 6 Abs. 6 HKP-RL bestimmten Frist von drei Arbeitstagen vorgelegt hat (Fortführung von BSG, NZS 2014, 869). (Leitsatz des Gerichts)

LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.04.2015 – L 5 KR 170/14, BeckRS 2015, 67920

Sachverhalt

Der Kläger begehrt von der beklagten Krankenkasse die Freistellung von Kosten für selbstbeschaffte häusliche Krankenpflege zum Anlegen und Wechseln von Wundverbänden. Der 1919 geborene und pflegebedürftige Kläger litt an einem Zustand nach Hirninfarkt, Senilität sowie an einer subepidermalen Blasenbildung, wodurch sich immer wieder innerhalb weniger Stunden wässrig gefüllte Blasen an unterschiedlichen Stellen bildeten, die sich der Kläger entweder aufkratzte oder welche sich spontan öffneten. Es entstanden tiefe Nekrosen mit starker Sekretbildung. Sein behandelnder Arzt verordnete ihm am 02.01.2013 für die Zeit vom 29.12.2012 bis 12.01.2013 und mit Folgeverordnung vom 11.01.2013 für die Zeit vom 13.01.2013 bis 31.03.2013 Behandlungspflege zur Wundversorgung. Diese wurde durch den ambulanten Pflegedienst erbracht, welcher bereits dreimal wöchentlich bei diesem die Grundpflege durchführte. Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung  mit Bescheiden vom 14.01.2013 sowie vom 23.01.2013 mit der Begründung ab, die ärztliche Verordnung sei nicht vollständig ausgefüllt. Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde zurückgewiesen, da der Gutachter des MDK die Anlegung eines anderen als den verordneten Wundverband für erforderlich und ausreichend ansah. Das Klageverfahren vor dem SG Koblenz blieb erfolglos.

Entscheidung

Das LSG Rheinland-Pfalz sah die Berufung des Klägers als begründet an. Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten der häuslichen Krankenpflege nach § 13 Abs. 3Satz 1 SGB V. Der Sachleistungsanspruch des Klägers auf Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege  ergebe sich aus § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Die ärztlich verordnete und durch den Pflegedienst erbrachte Wundversorgung gehöre nach Nr. 31 der Anlage zur HKP-RL zu den Leistungen der Behandlungspflege und sei medizinisch indiziert gewesen.

Die Ablehnung der Leistung könne nicht darauf gestützt werden, dass die ärztliche Verordnung nicht vollständig ausgefüllt war, da die Beklagte fehlende Angaben im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht aufzuklären habe.

Ebenso scheitere der Freistellungsanspruch auch nicht an dem Gutachten des MDK. Dieser habe seine ausschließlich nach Aktenlage abgegebene medizinische Einschätzung in keiner Weise begründet, auch sei nicht geprüft worden, ob sich die Genehmigungsfähigkeit der verordneten Maßnahme aus § 1 Abs. 4 Satz 3 HKP-RL ergebe. Überdies werde nicht die Notwendigkeit der Wundversorgung verneint, sondern nur die Art der Durchführung beanstandet. Für den Leistungsanspruch aus § 37 SGB V komme es jedoch allein auf die vorliegend zu bejahende Erforderlichkeit der Behandlungspflege an, die auch durch den MDK bestätigt werde.