Kammergericht verurteilt Bezirksamt Mitte zur Zahlung von Pflegevergütung an Pflegedienst

Das Landgericht Berlin hat das Bezirksamt Mitte von Berlin mit Urteil vom 16.10.2018 verpflichtet, dem klagenden Pflegedienst für erbrachte Pflegeleistungen, die vom Bezirksamt bewilligt waren, die entsprechende Vergütung zu bezahlen. Das Bezirksamt Mitte von Berlin hatte sich auf den Standpunkt gestellt, die von ihr bewilligten und vom Pflegedienst Leistungen seien nicht zu vergüten, weil der Pflegevertrag zwischen Pflegedienst und Hilfeempfänger wegen Formfehlern unwirksam sei. Der Pflegedienst hat daraufhin das Bezirksamt Mitte von Berlin verklagt und Zahlung für die erbrachten Leistungen eingefordert. Das Landgericht Berlin hat der Klage stattgegeben. Zwischen dem Pflegedienst und dem Hilfeempfänger sei ein wirksamer Pflegevertrag abgeschlossen worden. Ein Schriftformerfordernis bestehe nicht. Nach § 120 Abs. 1 SGB XI bestehe eine Vergütungspflicht bereits bei bloßem Tätigwerden des Pflegedienstleisters, so dass § 120 Abs. 2 SGB XI lediglich Beweis und Transparenzzwecken dienen. Die Leistungserbringung sei durch den Pflegedienst durch die Leistungsnachweise dezidiert dargelegt worden. Das Bezirksamt könne dies nicht mit Nichtwissen bestreiten. Das Kammergericht Berlin hat die Berufung des Bezirksamts Mitte von Berlin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16.10.2018 nunmehr mit Beschluss vom 23.8.2019 zurückgewiesen.

Zur Begründung führt das Kammergericht aus, dass entgegen der Ansicht des Bezirksamtes Mitte von Berlin ein wirksam abgeschlossener Pflegevertrag vorliegt, der Grundlage der Leistungsbewilligung war. Der Pflegebedürftige habe mit dem Pflegedienst die Erbringung von Pflegeleistungen vereinbart. Spätestens mit Beginn des ersten Pflegeeinsatzes kommt der Pflegevertrag jedenfalls konkludent in Form eines zivilrechtlichen Dienstvertrages nach § 611 BGB zu Stande. Das Bezirksamt Mitte habe im Übrigen den Pflegebedarf mit seinen Bewilligungsbescheiden bestätigt. Bei dieser Sachlage sei es dem Bezirksamt verwehrt, die Erbringung von Pflegeleistungen durch den Pflegedienst pauschal zu bestreiten. Ein Nichtigkeitsgrund könnte sich allenfalls aus § 125 BGB ergeben. Dienstverträge können jedoch formfrei geschlossen werden. Der Regelung in § 120 SGB XI lasse sich nicht entnehmen, dass ein schriftlicher Vertragsschluss Wirksamkeitsvoraussetzung des Pflegevertrag sei. Das an den Pflegedienst gerichtete Gebot des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB XI, dem Pflegebedürftigen unverzüglich eine schriftliche Ausfertigung des Pflegevertrages auszuhändigen, setze das vorherige Zustandekommen des Pflegevertrag voraus. Auch aus dem Rahmenvertrag, insbesondere § 6 Abs. 2 des Rahmenvertrages, ergebe sich nichts anderes. Der Rahmenvertrag kann keine weitergehenden Wirkungen als die gesetzliche Regelung in § 120 SGB XI haben. Ein Schriftformvorbehalt ist auch nicht den Bewilligungsbescheiden zu entnehmen. Mit dem Bewilligungsbescheid tritt der Sozialhilfeträger der Schuld des Hilfeempfängers bei. Die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers kann somit nicht von weitergehenden Voraussetzungen abhängen als die Verpflichtung des Hilfeempfängers. Das Bezirksamt habe den Bedarf des Hilfeempfängers geprüft und durch die Anlagen zum Bescheid detailliert die Leistungskomplexe nebst Vergütungshöhe bestimmt. Genau diese Leistungen hat der Pflegedienst erbracht. Soweit das Bezirksamt Mitte die Leistungserbringung an sich bestreitet, ist es voll beweisbelastet. Ein pauschales Bestreiten ist unzulässig. Denn der Sozialhilfeträger hat mit den Pflegediensten vereinbart, dass die Abrechnung der Leistungen mittels von Leistungsnachweisen dargelegt wird. Mit der Unterschrift auf dem Leistungsnachweis bestätigen die Pflegebedürftigen, dass sie die Leistungen tatsächlich erhalten haben. Diese Art der Belegführung ist zwischen den Parteien vereinbart. Daran ist auch das Bezirksamt Mitte gebunden. Der Beweiswert dieser Leistungsnachweise könne zwar durch Unregelmäßigkeiten oder Auffälligkeiten geschmälert und bei erheblichen Mengen sogar aufgehoben werden. Dass solche Unregelmäßigkeiten oder Auffälligkeiten vorlegen, hat das Bezirksamt Mitte aber nicht nachvollziehbar dargelegt.

Landgericht Berlin, Urteil vom 16.10.2018 – Az.: 21 O 32/18

Kammergericht, Beschluss vom 23.08.2019 – Az.: 4 U 102/18

(mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Johannes Groß)