Ausweitung des GKV-Leistungskataloges: Subkutane Infusion im Rahmen der häuslichen Krankenpflege künftig auch ambulant verordnungsfähig

Subkutane Infusionen können im Rahmen der häuslichen Krankenpflege (HKP) unter bestimmten Voraussetzungen auch ambulant zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden. Einen entsprechenden Beschluss hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nach vorheriger umfassender Analyse von aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen am Donnerstag in Berlin gefasst.

„Die Regelung kommt vor allem älteren Patientinnen und Patienten zugute, bei denen die Gefahr des Austrocknens beispielsweise durch Fieber erhöht ist und die krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen“, sagte Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des zuständigen Unterausschusses veranlasste Leistungen.

Bei subkutanen Infusionen werden größere Mengen Flüssigkeit direkt unter die Haut verabreicht, um das Austrocknen von pflegebedürftigen und häufig auch multimorbiden Patientinnen und Patienten zu verhindern. Sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich gilt die Behandlung als sichere, schonende und komplikationsarme Alternative zur intravenösen Infusion. Sie wird bislang überwiegend im Krankenhaus in der Altenmedizin (Geriatrie) und in der Versorgung von unheilbar schwerkranken und sterbenden Menschen (Palliative Care) eingesetzt.

Für die Verordnungsfähigkeit der Leistung gelten dem Beschluss des G-BA zufolge klar definierte Kriterien: So müssen sich die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt vom Zustand der Patientin oder des Patienten sowie der medizinischen Notwendigkeit der Maßnahme persönlich überzeugen. Die subkutane Infusion darf dann nur nach sorgfältiger Abwägung und nach einer engen Indikationsstellung verordnet werden. Eine Verordnung als rein prophylaktische Maßnahme ist durch den Beschluss des G-BA nicht gedeckt.

Vorsicht bei Abrechnungsprüfung durch den MDK

Gesetzlicher Ausgangspunkt der Abrechnungsprüfung ist § 114 Abs.2 S.6 SGB XI, wonach die MDK-Prüfung auch die Abrechnung der Leistungen umfasst.

Ab dem 01.10.2016 enthalten die Qualitätsprüfungsrichtlinien (QPR) entsprechende Einzelheiten, wie die Abrechnungsprüfungen durchzuführen ist. Enthalten sind auch Änderungen bei der Einwilligung.  

Einbeziehung in die Prüfung setzt Einwilligung voraus

Die Einbeziehung in die Prüfung setzt die Einwilligung des Pflegebedürftigen oder eines hierzu Berechtigten (vertretungsberechtigte Person, gesetzlich bestellter Betreuer) voraus. 

Die Einwilligung ist nach § 114a Absatz 2und 3 SGB XI erforderlich für  

  • das Betreten der Wohnung des Pflegebedürftigen, 
  • die Inaugenscheinnahme des gesundheitlichen und pflegerischen Zustands des Pflegebedürftigen,  
  • die Einsichtnahme in die Pflegedokumentation sowie in abrechnungsrelevante Unterlagen,   
  • die Befragung des Pflegebedürftigen, der Beschäftigten des Pflegedienstes, der Betreuer sowie der Angehörigen,  
  • die damit jeweils zusammenhängende Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von Pflegebedürftigen einschließlich der Erstellung von Kopien zum Zwecke der Erstellung eines Prüfberichtes.  

Die Einwilligung muss vor der Einbeziehung des Pflegebedürftigen in die Prüfung vorliegen. 

Vor der Einholung der Einwilligung des Pflegebedürftigen oder einer hierzu berechtigten Person sind diese aufzuklären über   

  • Anlass und Zweck sowie Inhalt, Umfang, Durchführung und Dauer der Maßnahme,   
  • den  vorgesehenen  Zweck  der  Verarbeitung  und  die  Nutzung  der  dabei  erhobenen personenbezogenen Daten,   
  • die Freiwilligkeit der Teilnahme und   
  • die jederzeitige Widerrufbarkeit der Einwilligung.  

Ferner  ist  im  Rahmen  der  Aufklärung  darauf  hinzuweisen,  dass  im  Falle  der  Ablehnung  dem Pflegebedürftigen keine Nachteile entstehen.

Grundsätzlich ist die Einwilligung schriftlich in Textform mit Unterschrift einzuholen. Ist ein Berechtigter nicht am Ort einer unangemeldeten Prüfung anwesend und ist eine rechtzeitige Einholung der Einwilligung in Textform nicht möglich, so genügt ausnahmsweise eine mündliche Einwilligung, wenn andernfalls die Durchführung der Prüfung erschwert würde.

Änderung durch PSG II

Nach § 114 Abs. 2 S. 6 SGB XI sind folgende Leistungen Gegenstand der Abrechnungsprüfung:

  • allgemeine Pflegeleistungen,
  • medizinischen Behandlungspflege,
  • der sozialen Betreuung einschließlich der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung im Sinne des § 87b,
  • der Leistungen bei Unterkunft und Verpflegung (§ 87),
  • der Zusatzleistungen (§ 88)
  • der nach § 37 SGB V erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

Es wird also die Abrechnung aller Leistungen des Pflegedienstes überprüft, die auf der Grundlage der Versorgungsverträge erbracht werden (§§ 75, 89 SGB XI und § 132a SGB V). 

Allerdings enthält die neue QPR unter Ziffer 8 die Einschränkung, dass Leistungen nach § 36 SGB XI und nach § 37 SGB V in die Abrechnungsprüfung einbezogen werden. Nach der QPR wird also z.B.§ 39 SGB XI, Verhinderungspflege, § 41 SGB XI, Tages- und Nachtpflege nicht in die Prüfung einbezogen. 

Da der MDK nur das prüfen darf, was in der QPR-Richtlinie steht, muss man den MDK ggf. darauf hinweisen, dass nach der neuen QPR nur § 36 SGB XI (Pflegesachleistung) geprüft werden darf. 

Ablauf der Abrechnungsprüfung:

Der Ablauf der Abrechnungsprüfung ist in Ziffer 8 der neuen QPR beschrieben:

  1. Die Abrechnungsprüfung erfolgt demnach für mindestens sieben Tage, davon nach Möglichkeit einschließlich eines Wochenendes oder zweier Feiertag
  2. Die Prüferin/der Prüfer kann eigenständig weitere Tage zur Sicherstellung des festgestellten Sachverhaltes/zur eindeutigen Klärung des Abrechnungsverhaltens in die Abrechnungsprüfung einbeziehen.
  3. Stellt der MDK oder der PKV-Prüfdienst im Rahmen einer Qualitätsprüfung Auffälligkeiten in der Abrechnung fest, kann die Regelprüfung im Auftrag der Landesverbände der Pflegekassen in eine abrechnungsbezogene Anlassprüfung umgewandelt werden.
  4. Die Abrechnungsprüfung erfolgt bei der Personenstichprobe.

Bewertungsmaßstab der Abrechnungsprüfung ist insbesondere:

  • der Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI einschließlich Anlagen, 
  • die aktuell geltende Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI sowie 
  • der Vertrag nach § 132a Abs. 2 SGB V einschließlich der für die Prüfung notwendigen Anlagen und
  • die HKP-Richtlinie. 

Die Vergütungsvereinbarungen bzw. Verträge nach § 132a SGB V sind vom ambulanten Pflegedienst bereit zu halten. Wenn für privat versicherte Pflegebedürftige keine Vertragsunterlagen zur Verfügung stehen, ist bei diesen Personen eine Prüfung der vertragskonformen Abrechnung der Leistungen nicht möglich.

Bitte beachten Sie die Regelungen dieser Verträge zum Personaleinsatz! Dort ist geregelt, welches Personal Sie einsetzten dürfen!

Vorzuhaltende Unterlagen für die Abrechnungsprüfung

Unterlagen, die zur Abrechnungsprüfung eingesehen werden, sind insbesondere:

  • Pflegeverträge, 
  • Kostenvoranschläge, 
  • Pflegedokumentationen, 
  • Durchführungsnachweise/Leistungsnachweise, 
  • Rechnungen, 
  • Handzeichenlisten, 
  • Qualifikationsnachweise,
  • Dienstpläne, 
  • Einsatz- oder Tourenpläne, 
  • Stundennachweise gemäß Arbeitszeitgesetz, 
  • Arbeitsverträge/Mitarbeiterlisten mit Stellenanteilen, 
  • Berufsurkunden, 
  • Verordnungen für häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1, 1a und 2 SGB V, 
  • Genehmigungen der Krankenkassen für Leistungen nach § 37 SGB V

Liegen die entsprechenden Unterlagen nicht vor, ist die Abrechnungsprüfung dennoch so weit als möglich durchzuführen. Im Prüfbericht ist zu vermerken, welche Gründe hierfür vorlagen. 

Auffälligkeiten bei der Abrechnungsprüfung

Bei Auffälligkeiten in der Abrechnung werden Kopien der relevanten Unterlagen angefertigt. Kopien können also nur zur Beweissicherung gefertigt werden, also nur dann und sonst nicht! Lassen Sie sich die Auffälligkeiten zeigen und erklären.

Bei Auffälligkeiten in der Abrechnungsprüfung wird der Prüfbericht auch an die Pflegekasse versendet, bei der der betreffende Pflegebedürftige versichert ist. Dabei wird gegenüber der betroffenen Pflegekasse in einem gesonderten Dokument offen gelegt, bei welchem Pflegebedürftigen (Name, Vorname, Geburtsdatum) Auffälligkeiten festgestellt worden sind. Der betroffenen Pflegekasse werden zur Beweissicherung Kopien abrechnungsrelevanter Unterlagen als Anlage zum Prüfbericht zugeleitet. 

Konsequenzen bei fehlerhafter Abrechnung

Die Konsequenzen fehlerhafter Abrechnung reichen von Regressforderungen der Kostenträger, über vertragsrechtliche Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung) bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung wegen Verdacht auf Abrechnungsbetrug. 

Bei Auffälligkeiten werden in der Regel auch die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen nach § 47a SGB XI und § 197a SGB V eingeschaltet, die wiederum die Staatsanwaltschaft über den Vorgang informieren. 

Achten Sie bei Regressforderungen darauf, dass es nicht zu einem Zahlungsstopp gegenüber Ihrer Abrechnungsfirma (OPTA DATA, MEDIFOX, etc.) kommt. Die Abwicklung des Regresses erfolgt in der Regel durch den Abschluss einer Rückzahlungsvereinbarung. 

Achten Sie darauf, dass der Unterschied zwischen einer fehlerhaften Abrechnung und einer bewusst betrügerischen Abrechnung deutlich gemacht wird. Nicht jede Falschabrechnung ist ein Abrechnungsbetrug.

Streng formale Betrachtungsweise

Allerdings liegt der Verdacht auf Betrug häufig nahe, wenn die sehr detaillierten sozialrechtlichen Abrechnungsbestimmungen vom Pflegedienst systematisch nicht beachtet werden. Es gilt der Grundsatz „peinlich genauer Abrechnung“ (BSG 18.8.1972 – 6 RKa 28/71; 17.10.2012 – B 6 KA 19/12 B; ständige Rechtsprechung). 

Trotz der Komplexität des Abrechnungsgeschehens gehen sowohl die Sozialgerichtsbarkeit, wie auch ihr folgend die Strafjustiz von einer streng formalen Betrachtungsweise aus. Werden die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen nicht eingehalten, haben die Leistungserbringer in der Regel keinen Anspruch auf Vergütung. 

Verdacht auf Abrechnungsbetrug

Der BGH hat durch Beschluss vom 16. Juni 2014 (4 StR21/14) klargestellt, dass – jedenfalls in der entschiedenen Ausnahmekonstellation – ein Abrechnungsbetrug vorliegt, wenn ein ambulanter Pflegedienst Leistungen abrechnet, die von Mitarbeitern erbracht wurden, die nicht über die mit der Kranken- und Pflegekasse vertraglich vereinbarte Qualifikation verfügen.

Kommt es zu einem Ermittlungsverfahren, ist die Einschaltung eines auf das Gesundheitswesen spezialisierten Fachanwaltes für Strafrecht (Strafverteidiger) zusätzlich zu einem auf das Pflegerecht spezialisierten Fachanwalt für Sozialrecht geboten.

Bundessozialgericht: Tariflöhne sind in der häuslichen Krankenpflege als wirtschaftlich anzuerkennen

BSG – Urteil vom 23.06.2016 –  B 3 KR 25/15 R 

Tariflöhne sind auch in der häuslichen Krankenpflege grundsätzlich als wirtschaftlich anzuerkennen. Dies hat das Bundessozialgericht im Rahmen eines Schiedsspruchverfahrens bestätigt.

Viele ambulante Pflegedienste können nicht mehr kostendeckend arbeiten, weil tarifbedingte Kostensteigerungen in der häuslichen Krankenpflege nur unvollständig refinanziert werden.

Am 23.06.2016 urteilte das BSG über die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs zur häuslichen Krankenpflege. Gegenstand war die Vergütungserhöhung für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Hessen aus dem Jahr 2009.

In der Verhandlung machte das Gericht deutlich, dass es an seinem Grundsatz der Tarifbindung festhält. Gleichzeitig hält das Bundessozialgericht an dem Grundsatz der Beachtung der Beitragssatzstabilität fest. Weisen die Leistungserbringer jedoch anhand signifikanter bzw. exemplarischer Beispiele nach, dass Tariflöhne gezahlt werden und welche Auswirkungen dadurch zu verzeichnen sind, so erhält der Tarifbindungsgrundsatz Vorrang vor dem Grundsatz der Grundlohnsummenbindung.

Für die soziale Pflegeversicherung (SGB XI) hatte das BSG in diesem Zusammenhang den Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit der Entgelte bzw. Pflegesätze entwickelt.

Grundlage der dortigen Verhandlungen über Pflegesätze und Entgelte ist zunächst die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen nach § 85 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI anhand einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung (Prognose).

Daran schließt sich die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit nach § 84 Abs. 2 Satz 1 und 4 SGB XI an. Maßgebend hierfür sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen (zweistufiges Prüfschema).

Die Vergütung für ambulante Pflegeleistungen muss auf einem marktorientierten Versorgungskonzept beruhen. Dies bedeutet, dass Vergütungen leistungsgerecht sein und einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 B 3 P 3/08 R).

Diese Grundsätze für die Vergütung von Pflegeeinrichtungen hat das BSG auch auf die Vergütung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V in den Fällen übertragen, in denen Einzelverträge nach § 132a Abs. 4 SGB V geschlossen worden sind (BSG Urteil vom 25.11.2010, B 3 KR 1/10 R).

Auch ambulanten Pflegediensten ist es durch diese Rechtsprechung möglich, ihre Mitarbeiter angemessen zu entlohnen. Tarifliche und an Tarif angelehnte Vergütung – sei es im Rahmen eines Haustarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung Entgelt – muss von den Krankenkassen stets refinanziert werden.

Bei Auseinandersetzungen zwischen Krankenkassen und tarifgebundenen Einrichtungen sollte damit der Verweis auf die Grundlohnsummensteigerung obsolet sein.

Bundessozialgericht: Wohngruppenzuschlag darf nicht auf Hilfe zur Pflege angerechnet werden

Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.05.2017 – B 8 SO 14/16 R –

Das BSG hat am 12.05.2017 entschieden, dass der Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI grundsätzlich nicht auf Leistungen der Hilfe zur Pflege anrechenbar ist. 

Dies war insbesondere im Land Berlin von den dortigen Sozialhilfeträgern so gehandhabt worden. Gegen die Anrechnung hatten sich die Hilfebedürftigen zunächst erfolglos vor dem Sozialgericht Berlin und dem LSG Berlin-Brandenburg gewehrt. Das BSG hat diese Rechtsprechung nun gekippt. 

Beim Wohngruppenzuschlag handelt es sich nach dem BSG-Beschluss nicht um nach dem SGB XII zu berücksichtigendes Einkommen. 

Der Wohngruppenzuschlag geht den Leistungen der Hilfe zur Pflege auch nicht als zweckentsprechende Leistung im Sinne des § 66 Abs 4 Satz 1 SGB XII vor. 

Die Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII, die auf Grundlage der bis zum 31.12.2016 geltenden Gesetzesfassung erbracht worden sind, erfassen ‑ auch soweit sie (nach altem Recht) über die Leistungen der Pflegeversicherung hinaus gehen konnten ‑ lediglich die individuell pflegerischen Bedarfe des Leistungsberechtigten. Soweit die Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII im Land Berlin eine Pauschale für die in einer Wohngruppe zu erbringenden ambulanten Leistungen vorsieht, sind auch diese ‑ den bundesgesetzlichen Vorgaben entsprechend ‑ als individuell pflegerische Leistungen vereinbart worden. 

Der Wohngruppenzuschlag dient dagegen nicht unmittelbar der individuellen pflegerischen Versorgung, sondern soll dem zusätzlichen (vor allem organisatorischen und verwaltenden) Aufwand in einer Wohngruppe Rechnung tragen. 

Dem Leistungsberechtigten kann schließlich nicht entgegengehalten werden, dass ggf von den ambulanten Pflegediensten in Berlin schon seit 2005 tatsächlich Leistungen erbracht worden sind, die dem zusätzlichen organisatorischen und verwaltenden Aufwand in Wohngruppen demenzkranker Bewohner geschuldet waren.

Damit sind unzählige Bescheide von Berliner Sozialämtern aufzuheben und Sozialhilfe für etliche Monate nachzuzahlen.

Praxistipp:

Überprüfen Sie sämtliche Bescheide über bewilligte Hilfe zur Pflege dahingehend, ob der Sozialhilfeträger den von der Pflegekasse gewährten Wohngruppenzuschlag angerechnet hat. Ist dies der Fall, können unter Hinweis auf die BSG-Rechtsprechung Anträge auf Überprüfung der Bescheide gestellt werden.

Für den Fall, dass Widerspruch gegen die Anrechungsbescheide erhoben worden sind, können Sie die Sozialämter zur Abhilfe des Widerspruchs auffordern.

Intensivpflege: Vergütung sicher verhandeln

Bisher war es für Intensivpflegedienste vielfach möglich, mit einzelnen Krankenkassen individuell auf den Versorgungsfall bezogene Vergütungsstundensätze auszuhandeln, die je nach Krankenkasse mehr oder weniger auskömmlich waren. Diese Verhandlungsart wird in jüngster Zeit zunehmend von den Krankenkassen abgelehnt. Sie bieten nur noch Standardpreise auf unterstem Niveau an. Will der einzelne Pflegedienst eine höhere Vergütung vereinbaren, wird er auf eine gemeinsame Verhandlungsführung mit anderen Kassen verwiesen. Die Krankenkassen nutzen auf diese Weise ihre ohnehin schon bestehende Verhandlungsmacht gegenüber dem einzelnen Intensivpflegedienst weiter aus. Der Kostendruck lastet dabei voll auf den Pflegediensten, die mit dem gewährten Stundensatz in der Regel nicht kostendeckend arbeiten können.  

Erschwerend kommt hinzu, dass die Krankenkassen Vergütungsverhandlungen von der Erfüllung bestimmter personeller Voraussetzungen und Bedingungen abhängig machen. Dies dürfte zwar rechtlich nicht zulässig sein, denn die Stellung von Bedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen ist mit § 132 a Abs. 4 SGB V nicht vereinbar. Vielen Pflegediensten bleibt aber nichts anderes übrig, als die Bedingungen schon im Vorfeld zu erfüllen, um überhaupt in die Vergütungsverhandlungen einsteigen zu können. Die hierfür entstehenden Lohn- und Sachkosten müssen sie selbst vorfinanzieren, sodass die Schere zwischen entstehenden Kosten und „gewährter“ Vergütung weiter auseinander klafft.

Sodann beginnen langwierige und mühsame Vergütungsverhandlungen, die die Pflegedienste vielfach an den Rand der Existenzgefährdung bringen. Von den Pflegediensten wird zunächst eine detaillierte Kostenkalkulation nebst Nachweisen gefordert. Hierbei ist Vorsicht geboten. Entscheidend ist eine vollständige Erfassung aller bestehenden und zukünftigen Kosten, deren Verteilung auf die produktive Netto-Jahresarbeitszeit einer Pflegefachkraft sowie eines angemessenen Gewinn- und Risikozuschlags.

Hat man die Kostenkalkulation eingereicht, vergehen Wochen um Wochen, manchmal Monat um Monat, bis immer wieder neue „Unklarheiten“ geklärt sind. Denn die Krankenkassen rügen mal diese, mal jene Kostenposition als „nicht plausibel“ oder nicht üblich. Wenn dann endlich ein persönlicher Verhandlungstermin angeboten wird (in letzter Zeit wird teilweise auch nur telefonisch verhandelt), endet dies zumeist mit einem erschreckend niedrigen Vergütungsangebot, das wenig nachvollziehbar und häufig kaum oberhalb des zuvor bereits gewährten Vergütungsangebots oder sogar darunter liegt. Des Weiteren wird die Vergütung nicht – wie es richtig wäre – ab Verhandlungsaufruf bzw. ab dem Auslaufen der Vorvereinbarung angeboten, sondern häufig erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die „Bedingungen“ der neuen (noch nicht vereinbarten) Ergänzungsvereinbarung für die Intensivpflege erfüllt werden.

Diese Verhandlungsführung der Krankenkassen ist für die Pflegedienste in mehrfacher Hinsicht frustrierend: Einerseits werden die Verhandlungen, bei vollem Kostendruck auf den Leistungserbringern, verzögert. Andererseits werden wesentliche und berechtigte Kostenpositionen nicht anerkannt. Hinzu kommen die Forderung nach Vorbedingungen und die Verlegung des Lauzeitbeginns auf den Zeitpunkt, zu dem nach Ansicht der Kassen die einseitig geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Intensivpflegedienst ist in diesem Fall gut beraten, wenn er seine Vergütungsforderung und den Laufzeitbeginn nicht aufgibt. Er sollte seine Kostenpositionen noch einmal im Einzelnen darlegen und im Hinblick auf ein späteres Schiedsverfahren klären, welche Kostenpositionen aus welchem Grund nicht akzeptiert werden. Es ist wichtig, die einzelnen Dissense zu dokumentieren, damit dies der Schiedsperson später zur Entscheidung vorgelegt werden kann.

Mit den vom Bundessozialgericht vorgegebenen Verhandlungsgrundsätzen hat diese Praxis freilich wenig zu tun. Das BSG hatte bereits im Urteil vom 17.12.2009 (Az. B 3 P 3/08 R) festgelegt, wie Leistungserbringer und Krankenkassen bei Vergütungsverhandlungen zu verfahren haben. Mit Urteil vom 23.06.2016 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass entsprechend auch bei der Finanzierung der häuslichen Krankenpflege zu verfahren ist und insbesondere Tariflöhne auch in der häuslichen Krankenpflege als wirtschaftlich anzuerkennen sind (BSG – Urteil vom 23.06.2016 – B 3 KR 25/15 R).  

Danach ergibt sich folgendes Verhandlungsschema:

  1. Zunächst hat der Pflegedienst hat seine Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar darzulegen. Die bestehenden und zu erwartenden Lohnkosten sind plausibel, wenn diese auf normalen Lohnkostensteigerungen oder Inflationsraten beruhen bzw. sich an einschlägigen Tarifverträgen orientieren.
  2. Die Krankenkasse prüft sodann diese einzelnen Kostenpositionen auf Plausibilität und Schlüssigkeit. Für den Fall, dass die Krankenkasse die Plausibilität und Schlüssigkeit argumentativ zu erschüttern vermag, muss der Pflegedienst durch Vorlage von Unterlagen den Nachweis dafür erbringen, dass die Kalkulation auf den voraussichtlichen Gestehungskosten beruht. In Ausnahmefällen kann die Krankenkasse auch die Vorlage von Bilanzen und Buchführungsunterlagen zum Nachweis der Ist-Kosten fordern.
  3. Sind die Gestehungskosten plausibel dargelegt, besteht Anspruch auf Abschluss einer entsprechenden Vergütungsvereinbarung. 
  4. Falls die Vergütungssteigerung bei bestehender Vorvereinbarung oberhalb der Veränderungsrate nach § 71 SGB V liegt, kann sie leistungsgerecht sein, wenn der Pflegedienst hierfür wirtschaftlich angemessene Gründe aufzeigt (etwa Tarifbindung o.ä.).

Was die Laufzeit angeht, so richtet sich diese selbstverständlich nicht danach, wann der Pflegedienst die (noch nicht vereinbarten) Bedingungen der Ergänzungsvereinbarung erfüllt, sondern nach dem Zeitpunkt, zu dem ein Vorvertrag gekündigt wurde, bzw. – wenn keine Vorvereinbarung bestand – zu dem Zeitpunkt, zu dem zu Vergütungsverhandlungen aufgerufen wurde. 

Für die Vergütungsverhandlungen in der außerklinischen Intensivpflege empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:

Es empfiehlt sich, bei der Ermittlung der leistungsgereichten Vergütung für die außerklinische Intensivpflege das Prüfungsraster des BSG anzuwenden, d.h. die Plausibilität der kalkulierten Kosten zu prüfen und anschließend die Kosten und/oder die Entgeltforderung insgesamt an den entsprechenden Werten vergleichbarer Einrichtungen zu messen. Tarifentgelte müssen im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit keiner Angemessenheitsprüfung unterzogen werden, da sie per se wirtschaftlich sind. 

Von besonderer Bedeutung sind dabei die Nachweispflichten, die mit einem solchen Verfahren verbunden sein können. Bei begründeten Zweifeln über die voraussichtlichen künftigen Gestehungskosten besteht eine Nachweispflicht des Pflegedienstes, die bis zum Nachweis der in der Vergangenheit angefallenen Kosten reichen kann. Der Pflegedienst kann also im Zweifelsfall zu einer weitgehenden Offenlegung seiner betriebswirtschaftlichen Berechnungsgrundlagen verpflichtet sein. Daraus folgt, dass die Vergütungsforderung in tatsächlicher Hinsicht so zu belegen ist, dass die für die Zukunft geltend gemachte Entwicklung der Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar ist. 

Zur Umsetzung dieser Rechtsprechung sollte man im Zweifelsfall zur Erstellung der Kostenkalkulation professionelle betriebswirtschaftliche Hilfe heranziehen. 

Im Übrigen sollte frühzeitig die Erwägung angestellt werden, ob bei Scheitern der Verhandlungen das Schiedsverfahren eingeleitet wird. Im Hinblick darauf sollten die Verhandlungen sorgfältig vorbereitet und dokumentiert werden.

Hilfe zur Pflege nach Tod des Klienten

BSG zeigt Weg zur Abrechnung für ambulante Pflegedienste auf

 Bisher war die Abrechnung von Leistungen der Hilfe zur Pflege gegenüber dem Sozialhilfeträger nur bei Vorliegen eines Bewilligungsbescheides und nur in diesem Umfang möglich. Nicht bewilligten Bedarf erhielten vorleistende ambulante Dienste nicht erstattet, wenn der Klient verstarb.

Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 21.09.2017 – B 8 SO 4/16 R – einen Weg aufgrzeigt, der es ambulanten Pflegediensten ermöglicht, nach dem Tod ihres Klienten die erbrachten, aber nicht bewilligten Leistungen noch zur Abrechnung zu bringen. 

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Sozialhilfeträger bewilligte dem Hilfeempfänger Hilfe zur Pflege in Form der Hauspflege als Sachleistung, die der ambulante Pflegedienst auf Grundlage eines zwischen ihm und dem Hilfeempfänger abgeschlossenen Pflegevertrags erbrachte. Nachdem sich der Hilfebedürftige sodann in einer stationären Einrichtung befunden hatte, teilte dessen Betreuer dem Sozialhilfeträger mit, der Klient lebe wieder in seiner Wohnung. Es werde erneut die Kostenübernahme für häusliche Pflege beantragt, die wieder durch den ambulanten Pflegedienst erbracht werde. Der Sozialhilfeträger forderte diverse Unterlagen an, entschied aber, nachdem der Hilfeempfänger verstorben war, nicht mehr über den Antrag.

Nach dem Tod beantragte der Pflegedienst zunächst erfolglos, an ihn offene Pflegekosten von 4373,67 Euro für die erbrachten Pflegeleistungen aus dem Bewilligungsbescheid zu zahlen. Sodann machte er die Zahlung offener Hauspflegekosten aus abgetretenem Recht in Höhe von 2881,65 Euro geltend. Er habe mit der für den Nachlass des Verstorbenen bestellten Nachlasspflegerin, die für dessen unbekannte Rechtsnachfolger handele, eine Abtretungsvereinbarung geschlossen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte ebenfalls ab.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist ein Sozialhilfeanspruch nach Maßgabe der §§ 5859 SGB I grundsätzlich dann vererblich, wenn der Hilfebedürftige zu Lebzeiten seinen Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt hat, weil der Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat. 

Dabei steht der Fall, dass im Zeitpunkt des Todes wegen einer bereits vor dem Tod durch den Leistungserbringer gedeckten Bedarfslage – wie hier – noch Schulden gegenüber diesem bestehen, die aus dem Nachlass zu begleichen sind, dem Fall der Vorleistung in Geld durch einen Dritten gleich. Denn die (noch zu ermittelnden unbekannten) Erben haben die hierdurch entstandenen Verbindlichkeiten zu begleichen. Diese Fallgestaltung unterscheidet sich substanziell nicht von der Fallgestaltung, in der der Leistungserbringer die Forderung im Vertrauen auf den Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers stundet.

Der ursprüngliche Anspruch auf Sachleistungsverschaffung wandelt sich in einen Anspruch auf Freistellung von der Schuld, wenn – wie hier – die Verbindlichkeit gegenüber dem vorleistenden Dritten (dem Pflegedienst)  noch besteht. 

Nachdem der Pflegedienst die Hilfe zur Pflege erbracht hat und nur noch die Verbindlichkeit ihm gegenüber als vorleistendem Dritten zu erfüllen ist, reduziert sich das Interesse des Berechtigten – hier der unbekannten Erben – auf Kostenfreistellung und Kostenerstattung, ist mithin auf eine Geldleistung gerichtet; dieser Anspruch ist, weil im Zeitpunkt des Todes ein Verwaltungsverfahren anhängig war, auch nicht erloschen.

Die Abtretung eines auf die noch unbekannten Erben übergegangenen Sozialhilfeanspruchs scheitert jedoch an § 17 Abs 1 Satz 2 SGB XII. Danach kann der Anspruch auf Sozialhilfe nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Die Regelung trägt der höchstpersönlichen Natur von Sozialhilfeansprüchen Rechnung und sieht grundsätzlich keine Ausnahmen vor. Unter das Abtretungsverbot fallen nicht nur die Sachleistungen selbst, sondern grundsätzlich auch ihre Surrogate, insbesondere Geldleistungen, wenn sie zweckgebunden für eine konkrete Dienst- oder Sachleistung gezahlt werden.

Anders liegt es wenn der Hilfebedürftige bzw. seine Erben die selbst beschaffte Leistung zwar nicht vorfinanziert haben, nach dem Tod des Berechtigten aber gegenüber dem zuständigen Leistungsträger zur Vermeidung eines Rückgriffs einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten des Pflegedienstes haben, den sie an den Gläubiger abtreten und der sich dadurch in der Person des Gläubigers der zur tilgenden Leistung in einen Zahlungsanspruch umwandelt.

Wegen des höchstpersönlichen Charakters des zugrundliegenden (Primär-)Anspruchs setzt eine Abtretung dann aber voraus, dass der Anspruch bereits festgestellt ist.  Das abtretbare Recht ist von vornherein auf den festgestellten Anspruch begrenzt.

Im zu entscheidenden Fall hat der Sozialhilfeträger im Zeitpunkt des Todes das Verwaltungsverfahren über seinen Antrag auf „Übernahme“ von Kosten der ambulanten Pflege noch nicht abgeschlossen. Darüber, ob und in welchem Umfang ihm tatsächlich ein Anspruch auf diese Leistungen zustand, hatte und hat er noch nicht entschieden. Eine Entscheidung hatte und hat der Sozialhilfeträger aber trotz des Todes des Hilfeempfängers noch zu treffen. Das Verwaltungsverfahren, das nach dem Tod auf Freistellung von den Kosten gerichtet ist, erledigt sich durch des Hilfeempfängers nicht. Die noch unbekannten Rechtsnachfolger, vertreten durch die Nachlasspflegerin, sind in die Beteiligtenstellung im laufenden Verwaltungsverfahren eingetreten und deshalb berechtigt, den auf sie übergegangenen Anspruch gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Eine Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens bis zur Aufnahme durch die Rechtsnachfolger bzw die Nachlasspflegerin sieht das Verwaltungsverfahrensrecht grundsätzlich nicht vor. Deshalb ist der Sozialhilfeträger auch nicht berechtigt, eine Entscheidung über den Anspruch davon abhängig zu machen, ob Erben tatsächlich ermittelt werden können oder der Fiskus als Erbe ggf bestehende Ansprüche (nicht) geltend machen kann (§ 58 Satz 2 SGB I).

§ 19 Abs 6 SGB XII kann nicht so verstanden werden, dass er jede Form der Anspruchsrealisierung durch einen ambulanten Dienst nach dem Tod des Hilfebedürftigen ausschließen will. Es liegt aber allein in der Hand der Nachlasspflegerin (also der unbekannten Erben) die Feststellung des Anspruchs weiter zu betreiben. Besteht ein solcher und stehen auch die Rechtsnachfolger fest, hat der Sozialhilfeträger ihn durch Zahlung an den ambulanten Dienst zu befriedigen; denn auch der Hilfebedürftige selbst hätte im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis nur Zahlung an den Dienst und nicht an sich selbst verlangen können.

Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch in Behinderteneinrichtungen

Nach der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Leistungserbringung gem. § 37 SGB V auf betreute Wohnformen war lange Zeit fraglich, ob auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht. Die Krankenkassen wiesen dies stets mit Hinweis auf die stationäre Versorgung in diesen Einrichtungen zurück. Das LSG Berlin-Brandenburg hat dem gegenüber nunmehr einen solchen Anspruch grundsätzlich bejaht.

Fraglich war insoweit, ob die Einbeziehung vollstationärer Behinderteneinrichtungen/-heime in den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V grundsätzlich ausgeschlossen ist oder ob solche Einrichtungen als „betreute Wohnformen“ oder „sonst geeigneter Ort“ im Sinne dieser Vorschrift gelten können. Nach der gesetzlichen Regelung werden die Leistungen „im Haushalt der Versicherten, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten“ erbracht. Einrichtungen der Behindertenhilfe unterliegen grundsätzlich den Bestimmungen des Heimgesetzes bzw. der Nachfolgegesetze der Länder. Daher hielt das LSG Niedersachen-Bremen in seinem Urteil vom 23.04.2009 (L 8 SO 1/07) eine Einbeziehung vollstationärer Behinderteneinrichtungen/-heime in dem Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V für ausgeschlossen. Das Gericht argumentierte dahingehend, dass der Gesetzgeber die Einbeziehung dieser Einrichtungen ausdrücklich hätte formulieren müssen. Die beispielhaft aufgeführten Orte „betreute Wohnformen, Schulen und Kindergärten“ sprächen jedenfalls auf den ersten Blick gegen eine Ausweitung der häuslichen Krankenpflege über den Haushalt und die Familie hinaus auf jeden geeigneten Ort. Vielmehr sollte der fragliche Ort mit den beispielhaft genannten vergleichbar sein. Dieser könne nicht so weitgehend verstanden werden, dass nunmehr auch Heime im Sinne des Heimgesetzes als sonstiger geeigneter Ort gelten sollten. Die Gesetzesänderung habe nur den Zweck verfolgt, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden und durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs zu bewirken, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden.

Demgegenüber hatte das LSG Hamburg in seinem Beschluss vom 12.11.2009 (L 1 B 202/09 ER KR) den Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB V grundsätzlich auch dann bejaht, wenn die Versicherten in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe lebten. Eine solche stationäre Wohneinrichtung sei jedenfalls dann ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wenn die Versicherten gegen den Einrichtungsträger keinen Anspruch auf Behandlungspflege hätten. Insoweit sei es rechtlich unerheblich, ob es sich bei der Einrichtung um ein Heim im Sinne des Heimgesetzes handle. Denn ein Vergleich mit anderen betreuten Wohnformen rechtfertige es, stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe diesen Wohneinrichtungen gleichzustellen und sie als geeignete Orte im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V anzusehen, sofern man sie nicht bereits als besondere Ausprägung des betreuten Wohnens bewerte. Der Gesetzgeber habe Lücken zwischen der ambulanten und stationären Versorgung vermeiden wollen. Stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe könnten auch nicht mit stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheimen gleich gesetzt werden. In den Einrichtungen der Behindertenhilfe stünden nämlich die gesellschaftliche Integration der Bewohner im Vordergrund, die möglichst unabhängig werden sollen (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung, die unter die Regelungen des Heimgesetzes falle, dürften im Übrigen in Abhängigkeit der Fähigkeiten der Bewohner fließend sein. Deshalb sei das betreute Wohnen gesetzlich auch nicht definiert worden. Aus der Häusliche-Krankenpflege-Richtlinie ergebe sich, dass Anspruch auf häusliche Krankenpflege in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe maßgeblich davon abhänge, ob der Einrichtungsträger verpflichtet sei, Behandlungspflege zu erbringen. Allein der Aufenthalt in stationären Einrichtungen stehe dem Anspruch daher nicht entgegen. Der Anspruch sei lediglich dann ausgeschlossen, wenn ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung bestehe.

Dieser Auffassung hat sich nunmehr auch das LSG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 24.02.2010 (L 9 KR 23/10 B ER) angeschlossen. Vorrangiges gesetzgeberischen Ziel der Erweiterung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V sei der Gedanke gewesen, Lücken zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu schließen. Dieses Ziel sei nicht zu erreichen, wenn man eine stationäre Unterbringung der behinderten Versicherten nach dem Heimgesetz per se als anspruchsvernichtend ansehen würde. Der Übergang zwischen dem anspruchsbegründet erfassten „betreuten Wohnformen“ und stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe sei fließend. Deshalb sei es kaum möglich, zwischen diesen Betreuungsformen eine klare, eindeutige und überzeugende Abgrenzung zu finden. Die daraus entstehende Unsicherheit würde sich bei der Auslegung des § 37 Abs. 2 SGB V fortsetzen. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Erweiterung des geeigneten Ortes auch auf betreute Wohnformen im Bereich der Eingliederungshilfe wäre fehlgeschlagen und würde ansonsten der alten Rechtslage vor Änderung des Gesetzes entsprechen. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Lückenschließung und Sicherung eines umfassenden Versicherungsschutzes mit medizinischer Behandlungspflege sei deshalb nur sicherzustellen, wenn der Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch in stationären Einrichtungen, die den Bestimmungen des Heimgesetzes unterliegen, immer dann einsetzt, wenn eine Anspruch gegen den Einrichtungsträger auf diese Leistung endet oder von vornherein nicht besteht. Allerdings besteht nach Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg hier eine Einschränkung: Die Vertragspartner des Wohn- und Betreuungsvertrages, also die behinderten Menschen auf der einen Seite und der Einrichtungsträger auf der anderen Seite dürften es nur eingeschränkt in der Hand haben, welche Leistungsverpflichtungen des Einrichtungsträgers bestehen und welche nicht. Ein völliger Ausschluss jeglicher Leistungen der Behandlungspflege sei nur dann zulässig, wenn dies auch den einschlägigen Verträgen nach § 75 Abs. 3 SGB X zwischen Einrichtungsträger und Träger der Sozialhilfe entspreche. Sind dagegen die Einrichtungen nach den Rahmenverträgen verpflichtet, „Hilfestellungen“ zur Gewährleistung der medizinischen und therapeutischen Versorgung zu leisten, zu denen explizit auch die Unterstützung bei der Einnahme der verordneten Medikamente sowie die Sorge für eine ordnungsgemäße Verwahrung der Medikamente und die Dokumentation der Einnahme gehören, so sei auch die ärztlich verordnete Medikamentengabe vom Einrichtungsträger zu erbringen und nicht über die häusliche Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V von der Krankenkasse zu finanzieren. Denn hierfür erhalte der Einrichtungsträger dann schon einen Teil der Vergütung nach § 75 Abs. 3 SGB XII. Andere Leistungen jedoch – wie etwa eine ärztlich verordnete Kontrolle des Blutzuckers und täglich vorzunehmende Insulingaben – würden dagegen dann nicht in die Leistungsverpflichtung des Einrichtungsträgers fallen. Denn insofern handle es sich nicht bloß um eine bloße „Hilfestellung zur Gewährleistung der medizinischen Versorgung“.

Dem LSG Berlin-Brandenburg ist im Grundsatz zuzustimmen: Einrichtungen der Behindertenhilfe sind vom Anwendungsbereich des § 37 SGB V erfasst. Jedoch erscheint die Differenzierung nach „einfacher“ Medikamentengabe und „qualifizierter“ Behandlungspflege wenig durchdacht. Denn für die Medikamentengabe wird man kaum ungeschultes Personal einsetzen können. Vom Arzt wird die Medikamentengabe im Rahmen einer ärztlichen Verordnung häuslicher Krankenpflege grundsätzlich nur auf Pflegefachpersonen delegiert werden, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe kaum zur Verfügung stehen. Dies dürfte besonders für die Gabe von Psychopharmaka  gelten, deren Nebenwirkungen im Hinblick auf ein erhöhtes Unfallrisiko (Sturzprophylaxe) besonders zu beobachten sind. Hierzu bedarf es eines aktuellen medizinischen und pharmakologischen Hintergrundes. Sofern diese Fähigkeiten nicht vorhanden sind, wird man den gesetzlich garantierten Leistungsanspruch des Versicherten nicht ablehnen können.

Tipp für die Praxis: 
Auf der Basis der Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg ist in jedem Einzelfall anhand der bestehenden Verträge gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII zwischen Einrichtungsträger und Träger der Sozialhilfe zu prüfen, ob eine Leistungsverpflichtung des Einrichtungsträgers zur Erbringung der Krankenpflegeleistung besteht. In der Regel wird allenfalls die Unterstützung bei der Einnahme der Medikamente zur Leistungsverpflichtung des Leistungsträgers gehören. Sofern jedoch selbst diese Leistungsverpflichtung nicht aus den entsprechenden Rahmenverträgen abgeleitet werden kann, besteht auch insoweit ein umfassender Anspruch auf häusliche Krankenpflege durch externe Pflegedienste.

BSG bestätigt Rechtsprechung zur Feststellung angemessener Pflegesätze

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 16.05.2013 noch einmal bekräftigt, dass wirtschaftlich angemessene Pflege sätze gemäß § 84 SGB XI in einem zweistufigen Verfahren festzustellen sind: Die von einer stationären Pflegeeinrichtung beanspruchte Vergütung ist leistungsgerecht, wenn die von dem Heimträger zugrunde gelegten voraussichtlichen Gestehungskosten nachvollziehbar sind (Plausibilitätskontrolle) und sie im Vergleich mit der Vergütung anderer Einrichtungen (externer Vergleich) den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. Dabei sei die Berücksichtigung von Tarif- oder entsprechenden Entgelten in aller Regel als plausibel anzuerkennen und entspricht wirtschaftlicher Betriebsführung. Damit sollen insbesondere einer Tarifflucht entgegengewirkt und Lohndumping sowie Outsourcing vermieden werden. Andererseits dürfen unangemessene Lohnsteigerungen nicht automatisch an die Versicherten weitergegeben werden. Dieses Spannungsverhältnis hat der Senat wie folgt gelöst: Bei extremen Ausreißern im Lohn- und Tarifgefüge ist eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen, bei der sachliche Gründe für die Lohn-/Gehaltshöhe darzulegen sind. Solche Fälle werden äußerst selten vorkommen. Im Übrigen sei das Entgeltgefüge einer Pflegeeinrichtung zu akzeptieren. Gleichwohl sei auf der 2. Stufe ‑ beim externen Vergleich ‑ eine Gesamtbetrachtung durchzuführen, soweit der geforderte Pflegesatz nicht im unteren Drittel der Vergütungen vergleichbarer Einrichtungen liegt. Entscheidend kommt es bei dieser Gesamtbewertung darauf an, ob der von der Einrichtung geforderte Vergütungssatz im Vergleich mit günstigeren Pflegesätzen und Entgelten anderer Einrichtungen im Hinblick auf die Leistungen der Einrichtung und die Gründe für ihren höheren Kostenaufwand (dennoch) als insgesamt angemessen und deshalb leistungsgerecht iSv § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI anzusehen ist. Wenn beim externen Vergleich eine Gesamtbetrachtung erfolgt und diese eine Verringerung der geforderten Pflegesätze zur Folge hat, dann müssen die Maßstäbe hierfür nachvollziehbar dargestellt werden. 
 
Die leistungsgerechte Vergütung einer Einrichtung umfasse auch eine angemessene Vergütung ihres Unternehmerrisikos. Hierzu zählen nicht Wagnis- und Risikozuschläge oder solche für höhere Gewalt, wie sich schon aus § 85 Abs 7 SGB XI ergibt, sondern im Ergebnis die Möglichkeit zur Gewinnerzielung, denn „Überschüsse verbleiben beim Pflegeheim, Verluste sind von ihm zu tragen“ (§ 84 Abs 2 Satz 5 SGB XI). Ein solcher Zuschlag für angemessene Vergütung kann als umsatzbezogener Prozentsatz berücksichtigt oder auch über die Auslastungsquote gesteuert werden. Letzteres setzt aber voraus, dass die Auslastungsquote im externen Vergleich realistisch angesetzt wird und bei ordnungsgemäßer Betriebsführung auch zu einem Unternehmensgewinn führen kann. (Bundessozialgericht   – B 3 P 2/12 R)

24-Stunden-Intensivpflege auch abweichend von HKP-Richtlinie verordnungsfähig

Häufig lehnt der MDK die Voraussetzungen der verordneten außerklinischen Intensivpflege mit der Begründung ab, die Voraussetzungen der Nr. 24 des Verzeichnisses verordnungsfähiger Maßnahmen der HKP-Richtlinie seien nicht erfüllt. Soweit hierbei eingewandt wird, dass spezielle Krankenbeobachtung nur gewährt werden könne, wenn vitale Gefährdungen regelmäßig und täglich aufträten, ist diese Einschränkung rechtswidrig.

Hierauf hat das Sozialgericht Berlin unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen. 

In Nr. 24 Spiegelstrich 1 der Anlage der HKP-Richtlinien heißt es, spezielle Krankenbeobachtung sei (nur) verordnungsfähig, „wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich ist und nur die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden können“. 

Sofern hier eine tägliche Intervention wegen lebensbedrohlichen Situationen gefordert wird, steht dies dem Anspruch des Versicherten nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V um untergesetzliche Normen, die auch innerhalb des Leistungsrechts zu beachten sind (vgl. BSG im o.a. Urteil vom 10. November 2005, a.a.O., dort Rdnr. 19 m.w.N. sowie in dem von der Beklagten eingeführten Urteil vom 31. Mai 2006 – B 6 KA 69/04 R -, juris, dort Rdnr. 15; vgl. auch Beier in: jurisPK-SGB V, Stand: 25. Juni 2013, § 92 SGB V Rdnr. 46). Sie unterliegen aber der Prüfung dahingehend, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Ebenso wenig wie der Gemeinsame Bundesausschuss ermächtigt ist, den Begriff der Krankheit in § 27 Abs. 1 SGB V hinsichtlich seines Inhalts und seiner Grenzen zu bestimmen, ist er befugt, medizinisch notwendige Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege auszunehmen. Die HKP-Richtlinien binden die Gerichte insoweit nicht.

Nr. 24 der Anlage der HKP-Richtlinien ist insoweit nicht mit den gesetzlichen Vorgaben von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V vereinbar. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Behandlungspflege zur Sicherung des Erfolgs der ärztlichen Behandlung; die Krankenpflege muss „erforderlich“ sein, und zwar im Sinne der Wahrscheinlichkeit, dass ohne die Pflege der Behandlungserfolg entfällt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20. April 1988 – 3/8 RK 16/86 -, juris, dort Leitsatz Nr. 1; vgl. auch Padé in: jurisPK-SGB V, Stand: 11. September 2014, § 37 SGB V Rdnr. 50, 51). 

Soweit Nr. 24 der Anlage der HKP-Richtlinien voraussetzt, dass „mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich“ sein muss, sind hiermit Anforderungen formuliert, die den Rahmen der gesetzlichen Vorgabe überschreiten. Denn nicht erst bei täglich auftretenden lebensbedrohlichen Situationen entfällt ohne die Pflege der Behandlungserfolg. Dies ist vielmehr schon dann der Fall, wenn solche Situationen aufgrund der Grunderkrankung unvorhersehbar jederzeit auftreten können. Ist dann keine Pflegeperson zur Stelle, die die geeigneten situationsangemessenen Einzelmaßnahmen ergreifen kann, droht der Tod des Versicherten.

Der Anspruch besteht daher auch bei nicht täglich auftretenden lebensbedrohlichen Situationen. Ausreichend ist, dass potentiell solche Situationen jederzeit unvorhersehbar eintreten können.

SG Berlin, Urteil vom 07.11.2014 (Az.: S 89 KR 1954/11), rechtskräftig

Rechtsanwalt Dr. Johannes Groß
26.01.2018

Abrechnungsfehler führen häufig zu Ermittlungsverfahren

Ambulante Pflegedienste sind mittlerweile häufig im Visier der Staatsanwaltschaften. Bundesweit wird gegen zahlreiche ambulante Pflegedienste wegen Verdachtsfällen von Abrechnungsbetrug ermittelt.

In der Praxis handelt es sich meistens um die Abrechnung von Leistungen, die nicht oder nur teilweise erbracht wurden. Des Weiteren stehen Abrechnungen von Leistungen durch nicht vertragsgemäß qualifizierte Pflegekräfte im Fokus. Der BGH hat durch Beschluss vom 16. Juni 2014 (4 StR 21/14) klargestellt, dass Abrechnungsbetrug vorliegt, wenn ein ambulanter Pflegedienst Leistungen abrechnet, die von Mitarbeitern erbracht wurden, die nicht über die mit der Kranken- und Pflegekasse vertraglich vereinbarte Qualifikation verfügen. Das Unterschreiten der vertraglich vereinbarten Qualifikation führt danach auch dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden seien („streng formale Betrachtungsweise“ im Sozialrecht). Immer häufiger wird der Vorwurf aber auch nur deswegen erhoben, weil der Pflegedienst bei tatsächlich erbrachter Leistung gegen Dokumentationspflichten verstoßen hat.

Die formalen Anforderungen an die fachliche Qualifikation, die zur Erbringung von behandlungspflegerischen Leistungen nach dem SGB V berechtigen, sowie an die weiteren Umstände der Leistungserbringung, wie etwa Dokumentationspflichten, werden zwischen den Leistungserbringern und Krankenkassen in den Verträgen nach § 132 a Abs. 4 SGB V vereinbart.

Ob der Verstoß gegen Dokumentationspflichten allerdings zu einer Rückforderung der erhaltenen Vergütung berechtigt oder gar einen Betrugsvorwurf auslösen kann, ist zumindest problematisch. Denn nicht jeder Vertragsverstoß kann Rückforderungen und den Vorwurf des Betrugs begründen.

In zahlreichen Verträgen existieren darüber hinaus für Leistungen der Behandlungspflege Öffnungsklauseln, die auch von anderen geeigneten Pflegekräften erbracht werden dürfen, wobei exakte Abgrenzungskriterien fehlen. Die Vertragslage ist oftmals unübersichtlich und bietet Interpretationsspielraum. Fraglich ist, zu welchen Lasten die Unklarheiten gehen und ob diese Rückforderungen und strafrechtliche Ermittlungen rechtfertigen. Zwar kann es sich hierbei um einen Vertragsverstoß handeln, der vertragliche Konsequenzen nach sich zieht; dies ist aber noch kein ausreichender Grund, dem Pflegedienst tatsächlich einen Abrechnungsbetrug vorzuwerfen und Vergütung zurückzuverlangen.

Gleichwohl informieren die Krankenkassen in diesen Fällen häufig die Staatsanwaltschaften, die die sog. „streng formale Betrachtungsweise“ aus dem Bereich des ärztlichen Abrechnungsbetrugs auf Abrechnungsauffälligkeiten im Bereich der häuslichen Krankenpflege übertragen. Die Leistung sei auch dann nicht abrechenbar, wenn sie auch nur in Teilbereichen nicht den gestellten Anforderungen genüge. Dies dürfte nicht zutreffen, denn nicht jeder formale Fehler führt dazu, dass erbrachte Leistungen der Behandlungspflege nicht mehr abrechenbar wären. Es muss sich vielmehr um konstitutive Voraussetzungen handeln, wie die inhaltliche Qualifikation, nicht um bloße Ordnungsvorschriften.

Sind Pflegedienste von diesem Vorwurf betroffen, sollten sie umgehend, möglichst frühzeitig im Ermittlungsverfahren oder schon vorbeugend, anwaltlichen Rat einholen.